Stimmungsbarometer
Wie ein regelmässiger Stimmungscheck das Vertrauen fördert und Mitarbeitende entlastet.
Das Praxisbeispiel in Kürze
Problem
Bei einem Teil der Mitarbeitenden von MyCamper war die Stressbelastung über einen längeren Zeitraum angestiegen, wie eine quartalsweise durchgeführte Mitarbeitendenbefragung ergab.
Die Befragung erfasst verschiedene arbeitsplatzbezogene Merkmale wie die Arbeitsmenge, die Zusammenarbeit oder die Feedbackkultur. Während die meisten Aspekte einhellig positiv bewertet wurden, gab es bei der Arbeitsmenge Unterschiede: Einige berichteten von einer angemessenen, andere von einer zu hohen Arbeitsmenge. Diese Ergebnisse führten zu der Erkenntnis, dass die Themen Arbeitsbelastung und Stress regelmässig Gesprächsthema zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden sein sollten.
Lösung
Um sich offen über Belastungen austauschen und Massnahmen ableiten zu können, wurde ein standardisiertes Stimmungsbarometer im Mitarbeitendengespräch eingeführt.
Das Stimmungsbarometer wird im wöchentlichen Einzelgespräch zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten anhand von zwei Skalenfragen erhoben: Die Mitarbeitenden bewerten sowohl ihre aktuelle, arbeitsbezogene Stressbelastung als auch ihre allgemeine Stimmung auf einer Skala von 0 bis 100. So wird die Entwicklung über die Zeit sichtbar und bei einer hohen Stressbelastung können direkt im Gespräch erste Massnahmen besprochen werden.
Nutzen
Das neue Stimmungsbarometer kam dank seiner Einfachheit sowohl bei Vorgesetzten als auch Mitarbeitenden gut an und wird bis heute gerne genutzt. Beide Seiten profitieren:
Die Mitarbeitenden schätzen den offenen Austausch und sind insbesondere dankbar für die Regelmässigkeit und Routine des Stimmungsbarometers. So können sie Herausforderungen frühzeitig ansprechen, ohne das Gespräch selbst initiieren zu müssen. Die Vorgesetzten haben ein wertvolles Instrument, um die Stressbelastung ihrer Mitarbeitenden einzuschätzen und können positive wie auch negative Entwicklungen angemessen und effizient begleiten.
Über MyCamper
MyCamper ist ein junges Unternehmen, das eine Onlineplattform für Camper Sharing betreibt. Das rund 20-köpfige Team ist hauptsächlich online unterwegs und bedient den Schweizer sowie den skandinavischen Markt.
Ein kollegialer Umgang, gemeinsame Aktivitäten und eine angenehme Arbeitsatmosphäre sind bei MyCamper äusserst wichtig. Der Hauptstandort von MyCamper ist in Basel, zusätzlich gibt es eine Niederlassung in Uppsala, Schweden und ein Entwicklerteam, das in Bosnien arbeitet.
Das Stimmungsbarometer ist ein super Instrument, um Unterstützungsbedarf frühzeitig zu erkennen.

Konkrete Umsetzung

Einführung
Die Ergebnisse aus der Mitarbeitendenbefragung zeigten, dass die Stressbelastung bei den Mitarbeitenden sehr unterschiedlich ausgeprägt war. Eine allgemeingültige Lösung schien daher unpassend. In der Geschäftsleitung war dennoch schnell klar, dass dieses Thema Sichtbarkeit verdient und die belasteten Mitarbeitenden Unterstützung erhalten sollten. Sie beschloss deshalb, das Thema Stressbelastung in die wöchentlich stattfindenden Einzelgesprächen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden aufzunehmen.
Ausarbeitung durch das HR
Die Geschäftsleitung gab diesen Wunsch ans HR weiter, das daraufhin einen Vorschlag für die konkrete Umsetzung erarbeitete. Dieser beinhaltete eine Strukturierung der wöchentlichen Gespräche zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten und die Einführung eines standardisierten Stimmungsbarometers. Zu diesem Zweck wurde ein Leitfaden entwickelt, der den Mitarbeitenden und Vorgesetzten als Orientierung im Einzelgespräch dient.
Der Leitfaden ist wie folgt aufgebaut:
- Stimmungsbarometer: Zum Einstieg stufen die Mitarbeitenden ihre allgemeine Stimmung und ihren Stress-Level auf einer Skala von 0-100 ein. Während sich die Stressbelastung vor allem auf die Arbeit bezieht, können bei der allgemeinen Stimmung auch private Herausforderungen eine Rolle spielen.
- Aus- und Rückblick: Im nächsten Schritt teilen die Mitarbeitenden, an was sie seit dem letzten Gespräch gearbeitet haben und was ihre Prioritäten bis zum nächsten Gespräch sind.
- Feedback: Die Mitarbeitenden geben sich selbst sowie ihrer vorgesetzten Person ein Feedback.
- Bericht der Vorgesetzten: Nachdem die Mitarbeitenden berichtet haben, teilen auch die Vorgesetzten ihre aktuelle Stimmung und Prioritäten mit und geben den Mitarbeitenden Feedback zur vergangenen Woche.
Kommunikation an die Mitarbeitenden
In einem Teammeeting wurde der Leitfaden allen Mitarbeitenden vorgestellt und über Ziel und Zweck des Stimmungsbarometers informiert.
Integration im Tagesgeschäft
- Wie oft: Wöchentlich
- Dauer: 20 Minuten
- Hilfsmittel: Leitfaden
Seit der Einführung im Jahr 2021 ist das Stimmungsbarometer ein fester Bestandteil in den Gesprächen zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten. Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden nutzen das Stimmungsbarometer und den Leitfaden weiterhin gerne.
Der Gesprächsleitfaden ist als fortlaufendes Dokument konzipiert, d.h. für jedes Gespräch gibt es eine bearbeitbare Vorlage. Auf das Dokument haben nur die jeweiligen Mitarbeitenden und die direkten Vorgesetzten Zugriff. Während des Gesprächs ist das Dokument geöffnet und Notizen werden direkt erfasst. So dient der Leitfaden gleichzeitig als Gesprächsprotokoll, das stetig wächst und Entwicklungen sichtbar macht. Diese kontinuierliche Dokumentation ist aus drei Gründen vorteilhaft:
- Einfachere Interpretation: Ein einzelner, absoluter Wert ist schwer zu interpretieren, da ein und derselbe Wert bei einigen Mitarbeitenden Anlass zur Sorge sein kann, während er bei anderen positiv zu werten ist. Viel aussagekräftiger ist daher, wie sich die Werte einzelner Mitarbeitender im Laufe der Zeit entwickeln.
- Sichtbarkeit von Fortschritten: Günstige Entwicklungen können betont werden, was die Aufmerksamkeit auf die positiven Aspekte der Arbeit und die Ressourcen der Mitarbeitenden lenkt.
- Früherkennung: Ungünstige Entwicklungen werden frühzeitig sichtbar. In solchen Fällen oder bei akuter, hoher Stressbelastung werden direkt im Gespräch Massnahmen abgeleitet. Dazu gehören etwa das gemeinsame Setzen von Prioritäten oder das Delegieren von Aufgaben. In Einzelfällen wurden auch weitergehende Massnahmen eingeleitet und in Absprache mit den betroffenen Mitarbeitenden z.B. die Geschäftsleitung oder Dritte einbezogen.
Unsere Mitarbeitenden teilen offen, wie es ihnen geht und wenn sie gestresst sind. Ein wichtiger Erfolgsfaktor, der das ermöglicht, ist unsere offene, kollegiale Unternehmenskultur.»
Die Offenheit ist bei uns gegenseitig: Auch die Vorgesetzten erzählen, was sie beschäftigt und welche Aufgaben bei ihnen auf dem Tisch liegen.
Argumente:
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1Eine offene, vertrauensvolle Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten hängt positiv zusammen mit prosozialem Verhalten und der Leistung von Mitarbeitenden.Frazier, M. L., & Tupper, C. (2016). Supervisor Prosocial Motivation, Employee Thriving, and Helping Behavior: A Trickle-Down Model of Psychological Safety. Group & Organization Management, 43(4), 561–593.