Kampagne zu psychischer Gesundheit
Wie psychische Gesundheit mithilfe einer innovativen Kampagne im Betrieb erfolgreich thematisiert und enttabuisiert werden kann.
Das Praxisbeispiel in Kürze
Problem
Das HR-Team hatte vermehrte Absenzen festgestellt. In Gesprächen mit betroffenen Personen zeigte sich: psychische Belastungen waren häufige Gründe, doch im Alltag zeigten sich Vorurteile, was eine offene Kommunikation erschwerte.
In Gesprächen mit den betroffenen Mitarbeitenden zeigte sich, dass psychische Belastungen oft eine Rolle spielten. Gleichzeitig fielen den HR-Fachpersonen in Alltagsgesprächen teilweise Aussagen auf, die eine stigmatisierende Haltung gegenüber psychischen Problemen widerspiegelten.
Lösung
Es wurde eine Kampagne gestartet, die über Blogbeiträge auf dem internen Kommunikationstool Wissen zur psychischen Gesundheit vermittelt und konkrete Unterstützungsangebote aufzeigt.
Über zehn Monate hinweg erscheint monatlich ein Beitrag auf der Intranetseite. Der erste Beitrag weckte Interesse und Aufmerksamkeit: Eine mutige Mitarbeiterin teilte ihre persönlichen Erfahrungen. Aus ihrer Geschichte entstand ausserdem die Idee, ein Angebot für anonyme Gespräche mit dem HR zu schaffen. Künftig sollen weitere Mitarbeitende zu Wort kommen und aktiv in die Beiträge einbezogen werden. Schritt für Schritt wächst die Kampagne gemeinsam mit den Mitarbeitenden, ihren Ideen und Bedürfnissen.
Nutzen
Die geteilte Geschichte weckte Mitgefühl und Bewunderung. Zwei Ziele wurden erreicht: mehr Aufmerksamkeit und Interesse für die psychische Gesundheit sind entstanden und die betroffene Mitarbeiterin erhält Mitgefühl und Beistand.
Die Reaktionen auf den ersten Beitrag waren durchweg positiv und zahlreich. Viele Mitarbeitende kommentierten respektvoll und einfühlsam. Sie äusserten Bewunderung für den Mut zu dieser Offenheit. Ausserdem entstanden Gespräche über das Thema psychische Gesundheit. Die betroffene Mitarbeiterin berichtete von gestärktem Selbstwertgefühl und dem Gefühl, gesehen und respektiert zu werden. Diese Resonanz zeigte deutlich: Der offene Umgang mit psychischen Themen kann Vertrauen schaffen und das Miteinander stärken.
Über das Blumenhaus
Seit 1942 engagiert sich das Blumenhaus für Menschen mit Behinderungen jeden Alters und begleitet sie zu einem möglichst eigenständigen Leben. Rund 310 Mitarbeitende in vielfältigen Funktionen ermöglichen ihnen ein Zuhause fürs Leben.
Die Tätigkeiten reichen von zentralen Diensten wie Reinigung, Hauswartung und Küche über Verwaltungsbereiche bis hin zu Betreuungs- und heilpädagogischen Aufgaben. Das Blumenhaus legt grossen Wert darauf, diese Anforderungen sichtbar zu machen und entwickelt dafür ein Betriebliches Gesundheitsmanagement mit einer Kampagne zur psychischen Gesundheit.
Wir mussten mutig sein, denn im Unternehmen ist die psychische Gesundheit noch immer mit Vorurteilen behaftet. Gerade aus diesem Grund wollten wir diesen Weg gehen und diese Geschichte intern teilen. Dass es so gut angekommen ist, hat uns bestärkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es war ein Wagnis, das sich gelohnt hat.

Konkrete Umsetzung

Einführung
- Zeitraum Idee bis Kampagnenstart: 1.5 Monate
- Zeitressourcen Blogbeitrag «persönliche Geschichte»: 3h
Auf der internen Website gibt es einen BGM-Kanal, der neu für die Kampagne geschaffen wurde. Auf dem Bild zu sehen sind die drei ersten Blogbeiträge. Rechts eine Einleitung und Ankündigung der Kampagne. In der Mitte den Blogbeitrag mit der persönlichen Geschichte und links einen weiteren Beitrag zum Thema offene Kommunikation.
1. Ausgangslage
Das HR-Team des Blumenhauses stellte fest, dass vermehrt Mitarbeitende von Absenzen betroffen waren. Gründe dafür waren unter anderem Psychische Beschwerden und die Hürde im Unternehmen offen darüber zu sprechen. Daraufhin startete das HR-Team eine Kampagne, welche zur Enttabuisierung psychischer Belastungen innerhalb vom Unternehmen beitragen soll und so eine offenere Kommunikation und die Unterstützung betroffener Mitarbeitenden ermöglicht.
2. Entwicklung der Kampagnenidee
Inspiriert von externen bestehenden Initiativen wie „Wie geht’s Dir?“ und «10 Schritte für deine psychische Gesundheit» entwickelte das HR-Team die Idee für eine interne Kampagne mit zehn Blogbeiträgen rund um psychische Gesundheit. Die Inhalte sollen laufend angepasst und mit Feedback der Mitarbeitenden weiterentwickelt werden.
3. Planung und Vorbereitung
Die Idee für den ersten Beitrag entstand nach einem Gespräch mit einer betroffenen Mitarbeiterin, die sich offen über ihre psychischen Beschwerden äusserte. Daraus entstand der Plan, die Kampagne mit einer persönlichen Geschichte zu beginnen – als Türöffner für mehr Offenheit und Aufmerksamkeit.
Vor dem Start wurde das Projekt mit einer kurzen Skizze und klarer Argumentation der Institutionsleitung vorgestellt und bewilligt.
4. Ankündigung der Kampagne auf dem Intranet
Zuerst wurde ein kurzer Infobeitrag auf dem Intranet veröffentlicht, der die Kampagne ankündigte und auf die bald erscheinende persönliche Geschichte hinwies.
5. Umsetzung des ersten Blogbeitrags
Die Mitarbeiterin, die bereits im Gespräch ihre Offenheit gezeigt hatte, erklärte sich bereit, ihre Geschichte zu teilen. Hierzu erarbeitete das HR-Team Interviewfragen und führte ein weiteres Gespräch mit der Mitarbeiterin. Aus ihren Erzählungen wurde der Blogbeitrag verfasst. Vor der Veröffentlichung stimmte sie dem Inhalt nochmals ausdrücklich zu. Folgende Fragen dienten für das Interview mit der Mitarbeiterin:

Integration im Tagesgeschäft
- Wie oft: monatlich
- Dauer: innerhalb von 10 Monaten
Von Erfahrungen lernen und die Kampagne weiterentwickeln:
Auf Basis der Rückmeldungen entwickelt das HR-Team neue Ideen für die nächsten Beiträge. Aus der Erfahrung mit der betroffenen Mitarbeiterin entstand ausserdem ein neues Angebot: Anonyme Gespräche mit dem HR-Team – ohne Einbezug der Führungspersonen – sollen neu Raum für vertrauensvolle Unterstützung schaffen. Das HR-Team kann dadurch beratend zur Seite stehen und Schwierigkeiten möglichst frühzeitig erkennen und so auch langfristige Absenzen vermindern.
Auch das Einbeziehen von Mitarbeitenden in die Blogbeiträge soll weitergeführt werden: Ein Beispiel ist eine geplante Yogalektion, die von einem Teammitglied mit entsprechender Erfahrung angeboten werden soll.
Ziel bleibt, die Kampagne Schritt für Schritt gemeinsam mit den Mitarbeitenden zu gestalten – nicht mit Informationsflut, sondern mit Nähe, Beteiligung und echten Erfahrungen.
Ein Projekt muss nicht von Beginn an von A – Z geplant sein. Die Flexibilität, die dadurch entsteht, Schritt für Schritt zu planen, macht es möglich ein Projekt laufend anzupassen und so auf Bedürfnisse einzugehen und neue Ideen zu entwickeln.
Voraussetzungen für eine solche Kampagne sind Ressourcen für die Aufbereitung, einen geeigneten Kommunikationskanal, etwas Kreativität und Commitment von Leitung, Führung sowie die Bereitschaft zur Mitarbeit von Mitarbeitenden, wobei diese Bereitschaft in unserem Fall keine Herausforderung darstellt, sondern sehr geschätzt wird.
Argumente:
-
1Programme gegen Stigmatisierung am Arbeitsplatz können dazu beitragen, dass Beschäftigte mehr über psychische Erkrankungen wissen und Betroffene besser unterstützen.Hanisch, S.E., Twomey, C.D., Szeto, A.C.H. et al. The effectiveness of interventions targeting the stigma of mental illness at the workplace: a systematic review. BMC Psychiatry 16, 1 (2016). https://doi.org/10.1186/s12888-015-0706-4
-
2Das Einbeziehen von Mitarbeitenden in die Entwicklung von Massnahmen zur Gesundheitsförderung steht im Zusammenhang mit einer höheren Akzeptanz der Intervention.Nielsen, K., & Randall, R. (2012). Opening the black box: Presenting a model for evaluating organizational-level interventions. European Journal of Work and Organizational Psychology, 22(5), 601–617. https://doi.org/10.1080/1359432X.2012.690556