Kostenbeteiligung an individuellem Coaching
Wie mit einer einzigen Massnahme eine Vielzahl an Mitarbeitendenbedürfnissen abgedeckt werden kann.
Das Praxisbeispiel in Kürze
Problem
Die Mitarbeitenden berichteten in einer betriebsinternen Umfrage von schwierigen Situationen im Arbeitsumfeld und arbeitsbezogenen Belastungen, die auch in der Freizeit präsent sind.
Diese Umfrageergebnisse machten deutlich, dass Unterstützungsbedarf für die Mitarbeitenden besteht, um einen konstruktiven Umgang mit den Belastungen zu finden. Die geeignete Ausgestaltung der Unterstützung war zunächst jedoch unklar, denn die Faktoren, die zur Belastung beitrugen, waren individuell verschieden und der Unterstützungsbedarf demnach vielfältig.
Lösung
Um dem individuellen Bedarf gerecht zu werden, entstand die Idee, die Mitarbeitenden mit einem finanziellen Beitrag für ein externes Coaching zu unterstützen.
Die Teilnahme am Coaching sollte auf freiwilliger Basis und nach individuellem Bedarf erfolgen. Angesichts der positiven Rückmeldungen auf die Idee wurde diese realisiert. Nun können alle Mitarbeitenden auf Wunsch ein externes Coaching in Anspruch nehmen und werden dabei mit bis zu CHF 800.- pro Jahr unterstützt. Voraussetzung ist, dass das Coaching durch einen anerkannten Coach durchgeführt und ein arbeitsbezogenes Thema behandelt wird.
Nutzen
Die Mitarbeitenden schätzen das Angebot, weil es ihnen ermöglicht, persönlich wichtige Themen zu bearbeiten und individuelle, arbeitsbezogene Belastungen zu reduzieren.
Die Führungskräfte wiederum erfahren Entlastung und wissen ihre Mitarbeitenden in guten Händen, wenn ein Anliegen ihren Zuständigkeitsbereich überschreitet. Die Geschäftsleitung betont die Vorteile der Massnahme für alle Beteiligten. Durch ein einziges Angebot kann eine Vielzahl an Themen abgedeckt werden, was die Massnahme sowohl zielgerichtet als auch ressourcenschonend macht.
Über den Verein für Jugend und Freizeit
Der Verein für Jugend und Freizeit (VJF) ist eine gemeinnützige Organisation, die Dienstleistungen in den Bereichen Kinder- und Jugendförderung, Integration und Gemeinwesenarbeit im Auftrag von Gemeinden, Städten, Regionen und Kantonen anbietet.
Rund 60 Mitarbeitende arbeiten projektbasiert in kleinen Teams an verschiedenen Standorten im Raum Solothurn – Aargau – Zürich. Die meisten Mitarbeitenden arbeiten Teilzeit und verfügen über eine abgeschlossene oder laufende Ausbildung in sozialer Arbeit.
Die Kostenbeteiligung an einem individuellen Coaching ergänzt unser Angebot im Bereich betriebliche Gesundheitsförderung auf eine massgeschneiderte, persönliche Art und Weise.

Konkrete Umsetzung

Einführung
- Dauer: 3 Monate bis zur Einführung
Die Idee zur Einführung der Massnahme entstand aus einer Mitarbeitendenbefragung, die anfangs 2022 durchgeführt wurde und unter anderem das Betriebsklima, das Engagement und die Belastung der Mitarbeitenden erfasste. Während das Betriebsklima und das Engagement positiv bewertet wurden, zeigten sich im Bereich der Belastung erhöhte Werte.
In einem anschliessenden Workshop wurden die Ergebnisse mit den Mitarbeitenden besprochen und Risiko- sowie Schutzfaktoren in Bezug auf arbeitsbezogene Belastungen konkretisiert. Dabei zeigte sich, dass die Ursachen der Belastungen und damit auch der Unterstützungsbedarf der Mitarbeitenden individuell verschieden waren.
Die Idee
Daraus entstand die Idee, dass sich der VJF an den Kosten für ein individuelles Beratungsangebot (Coaching) für die Mitarbeitenden beteiligen könnte. Bis dahin hatten einige Mitarbeitende die Möglichkeit, ein Coaching zu besuchen, dies jedoch nur auf Vorschlag ihrer Vorgesetzten. Die Erfahrungen damit waren stets positiv. Um dem individuellen Unterstützungsbedarf Rechnung zu tragen, sollte dieses Angebot nun allen Mitarbeitenden niederschwellig zugänglich gemacht werden.
Die Idee wurde im Führungsgremium des VJF diskutiert und fand viel Zustimmung. Gleichzeitig wurde deutlich, dass vor der Einführung Klärungsbedarf besteht. Schon die Frage, was überhaupt unter Coaching zu verstehen ist und was nicht, sorgte für Unsicherheit. Dementsprechend wurden im Anschluss die Rahmenbedingungen ausgearbeitet.
Die Rahmenbedingungen
- Wer darf am Coaching teilnehmen? Alle Mitarbeitenden, die sich dafür interessieren.
- Was zählt als Coaching? Coaching ist eine Beratungsdienstleistung – es handelt sich nicht um eine Behandlung. Dienstleistungen und Therapien, die krankenkassenanerkannt sind, zählen nicht als Coaching.
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Das Coaching muss von einem Coach durchgeführt werden und es muss ein arbeitsbezogenes Thema behandelt werden.
- Wer zählt als Coach? Personen, die haupt- oder nebenberuflich, selbstständig oder in einer Gruppenpraxis als Coach tätig sind und eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben.
- Welche Themen können behandelt werden?
Work-Life-Balance
Arbeitsorganisation
Burnout-Prävention
Belastende Arbeitssituationen/Konflikte
Resilienz/Coping-Strategien
Persönliche Entwicklung/Orientierung/Krisen/Sucht
Orientierung Ausbildung/Weiterbildung/Beruf - Wie hoch ist die Kostenbeteiligung? Maximal 800.-/Jahr pro Mitarbeiter / Mitarbeiterin. Dieser Betrag ist auch im Falle einer Kündigung nicht rückzahlungspflichtig.
- Wer kann ein Coaching genehmigen? Die vorgesetzte Stelle, die Geschäftsleitung oder die Personalvertretung. Alle Beteiligten sind zur Vertraulichkeit verpflichtet.
Teamleitende schulen
Vor der Einführung wurden alle Teamleitenden genau über die Rahmenbedingungen und den Prozess der Kostenbeteiligung informiert.
Kommunikation an die Mitarbeitenden
Ein Vierteljahr, nachdem die Ergebnisse der Mitarbeitendenbefragung vorlagen, wurden die Mitarbeitenden über das neue Angebot informiert. Dabei wurde erklärt, dass es als Reaktion auf die Umfrageergebnisse und den Workshop eingeführt wird. So merkten die Mitarbeitenden, dass ihre Rückmeldungen ernst genommen wurden; sie fühlten sich gesehen und wertgeschätzt. Weiter wurden die Rahmenbedingungen und der Prozess erläutert. Den Mitarbeitenden steht ein Merkblatt zur Verfügung, das die Ziele, Abläufe und Rahmenbedingungen verständlich erklärt.
Integration im Tagesgeschäft
- Kosten: max. 800.- CHF pro Coaching
Die Kostenbeteiligung an einem externen Coaching ist mittlerweile ein fester Bestandteil des gesundheitsfördernden Angebots beim VJF. Direkt nach der Ankündigung haben rund 20% der Mitarbeitenden erwogen, das Angebot zu nutzen, 10% haben es im ersten Jahr tatsächlich genutzt. Die gesamte ausbezahlte Kostenbeteiligung belief sich im ersten Jahr auf weniger als 5’000 CHF.
Ablauf des Coaching-Prozesses
Der einzelne Coaching-Prozess läuft wie folgt:
- Initiierung: Bei Interesse initiieren die Mitarbeitenden den Prozess und suchen eigenständig einen passenden Coach, der die vorgegebenen Rahmenbedingungen erfüllt.
- Anmeldung: Sobald ein geeigneter Coach gefunden wurde, melden die Mitarbeitenden das Coaching an. Dafür können sie sich entweder an ihre vorgesetzte Stelle, an die Geschäftsleitung oder die Personalvertretung wenden und das Thema und den Namen des Coaches angeben. Sobald das Coaching genehmigt wurde, kann es beginnen.
- Durchführung des Coachings: Die Durchführung des Coachings erfolgt selbstorganisiert und ausserhalb der Arbeitszeit. Die Dauer des Coaching-Prozesses wird gemeinsam mit dem Coach festgelegt.
- Abschluss und Rückvergütung: Die Mitarbeitenden begleichen die Kosten für das Coaching zunächst selbst. Anschliessend leiten sie die Rechnung/Quittung an die zur Vertraulichkeit verpflichtete Geschäftsleitung des VJF weiter, die diese prüft und die Kosten zurückerstattet. Eventuelle Kosten, die die Beteiligung von CHF 800.- übersteigen, tragen die Mitarbeitenden selbst. Allerdings zeigt die Erfahrung beim VJF, dass die CHF 800.- in den meisten Fällen ausreichend sind und oft nicht vollständig ausgeschöpft werden. Mit der Rückvergütung ist der Prozess abgeschlossen. Die Mitarbeitenden müssen keine Angaben zu den behandelten Inhalten oder den Ergebnissen des Prozesses machen.
- Optional: Eintrag auf Coach-Liste: Nach Abschluss des Prozesses haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihren Coach anonym auf einer Liste zu erfassen. Diese stetig wachsende Liste steht allen Mitarbeitenden zur Verfügung und soll Interessierte bei der Suche nach einem geeigneten Coach unterstützen.

Weiterführende Informationen zu diesem Praxisbeispiel sind einsehbar in:
Graf, A., Mücke, A. & Dornemann, S. (2024). Lebenszyklusorientiere Personalentwicklung. Springer Gabler.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Niederschwelligkeit des Angebots. Einige Mitarbeitende besprechen das Coaching als Teil ihrer Entwicklung offen mit den Vorgesetzten, andere sind dankbar, belastende Themen erstmal eigenständig und vertraulich angehen zu können.
Das Angebot motiviert die Mitarbeitenden, bei Herausforderungen selbst aktiv zu werden und ihre Themen anzugehen. Sie übernehmen Verantwortung und fühlen sich wertgeschätzt. Einige haben auch berichtet, dass bereits das Wissen um das Angebot unterstützend wirkt.
Argumente:
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1Trainings zum Umgang mit Belastungen am Arbeitsplatz fördern die mentale GesundheitRichardson, K. M., & Rothstein, H. R. (2008). Effects of occupational stress management intervention programs: a meta-analysis. Journal of occupational health psychology, 13(1), 69-93.
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2Beratungsangebote am Arbeitsplatz können Absenzen reduzieren.McLeod, J. (2010). The effectiveness of workplace counselling: A systematic review. Counselling and Psychotherapy Research, 10(4), 238-248.