Das Praxisbeispiel in Kürze
Problem
Mitarbeitende äusserten wiederholt Wünsche und Anliegen zur Zusammenarbeit. Diese Anliegen sollten aufgegriffen und gemeinsam mit allen Mitarbeitenden bearbeitet werden.
Die Schneider AG führt jährlich Mitarbeitenden Gespräche durch, bei denen neben fachlichen Themen stets auch das persönliche Befinden bei der Arbeit besprochen wird. Die Geschäftsleitung hat festgestellt, dass in diesen Gesprächen wiederholt Anliegen zur Zusammenarbeit und Arbeitsorganisation geäussert wurden. Diese Anliegen aufzugreifen und zusammen mit den Mitarbeitenden zu diskutieren, war der Geschäftsleitung von grosser Bedeutung.
Lösung
In der Schneider AG wurde eine Austauschplattform eingeführt, bei der alle Mitarbeitenden sich zu aktuellen fachlichen und sozialen Themen austauschen und einbringen können.
Der Austausch sollte ein gemeinsames Verständnis darüber schaffen, wie im Team zusammengearbeitet wird, was dabei wichtig ist und welche Regeln für alle gelten. Die Austauschplattform wurde mithilfe der Methode World Café umgesetzt. Bei einem World Café diskutieren die Mitarbeitenden in mehreren Gesprächsrunden über aktuelle Themen. Neben gemeinsamen Erkenntnissen entstehen dabei auch neue Ideen für die Gestaltung des Arbeitsalltags.
Nutzen
Die Erfahrungen mit dem ersten World Café waren positiv, da einige der in diesem Rahmen besprochenen Anliegen erfolgreich umgesetzt werden konnten.
Zu diesen Veränderungen gehört zum Beispiel, dass sich die Mitarbeitenden am Morgen nun alle begrüssen, was zu einem angenehmen Arbeitsklima und einer positiven Stimmung beiträgt. Der Austausch selbst wurde ebenfalls positiv wahrgenommen: Die Mitarbeitenden schätzten die Möglichkeit, eigene Ideen teilen zu können. Die Geschäftsleitung wiederum freut sich über die neuen Inputs und kreativen Ideen, die aus den Gesprächen hervorgehen.
Über die Schneider AG
Die Schneider AG ist eine inhabergeführte Schreinerei mit Sitz in Dieterswil, Kanton Bern. Das Kerngeschäft umfasst die Gestaltung, Planung und Umsetzung von Innenausbau-Arbeiten im Privatbereich sowie in Gastro- und Geschäftseinrichtungen.
Das Unternehmen beschäftigt 30 Mitarbeitende in Voll- und Teilzeitpensen, die in der Werkstatt, auf Montage und im Büro tätig sind. Besonderen Wert wird auf die qualitativ hochstehende Ausbildung von mehreren Lernenden gelegt.
Kontakt:
Schneider Innenausbau AG
Buechweg 13
3256 Dieterswil
Mail: info@schneiderag.ch
Web: schneiderag.ch
Unsere Mitarbeitenden schätzen es sehr, ihre Sichtweisen, Anliegen und Ideen am Austausch einbringen zu können.

Konkrete Umsetzung

Einführung
Zur Vorbereitung trafen sich die beiden Co-Geschäftsleiter sowie zwei Mitarbeiterinnen aus dem Bereich Finanzen / Personaladministration zu einer Sitzung. Gemeinsam besprachen sie die wichtigsten Details für die Durchführung.
Zum einen ging es darum, die konkreten Leitfragen für den Austausch festzulegen. Grundlage dafür waren die Rückmeldungen der Mitarbeitenden in den Jahresgesprächen. Diese umfassten etwa Themen des sozialen Miteinanders (z.B. Begrüssung am Morgen) oder der Arbeitsorganisation (die Nutzung von geteilten Arbeitsplätzen, Geräten und Materialschränke). Zunächst wurde herausgearbeitet, welche übergeordneten Themenbereiche diesen Rückmeldungen zugrunde liegen. Anschliessend wurden Fragen formuliert, die diese bestmöglich erfassen.
Die vier Leitfragen
Die vier Leitfragen lauteten:
- Welche Werte möchte ich im Unternehmen leben?
- Was kann ich zu einem positiven Arbeitsklima beitragen?
- Was kann ich beitragen, damit es meinen Arbeitskolleg: innen gut geht?
- Was kann ich beitragen, damit die Aufträge effizienter abgewickelt werden?
Zeit, Ort und Material
Zum anderen wurden Datum, Uhrzeit und Ort festgelegt und das benötigte Material organisiert. Der zweistündige Anlass wurde an einem Nachmittag eingeplant, an dem möglichst viele Mitarbeitende vor Ort sind (keine «Teilzeittage»). Der Ort war schnell gefunden: Die interne, grosse Werkstatt der Schreinerei eignete sich ideal für das Austauschformat. Die benötigen Materialien waren mit Ausnahme des Zvieris alle intern vorhanden. Dieses wurde rund eine Woche vor der Durchführung organisiert. Benötigt wurde folgendes Material:
- Grosser Raum mit drei bis vier Tischinseln
- Grosse Papier- und Zeichnungsbögen zum Beschriften
- Filzstifte, Flipchart-Stifte
- Verpflegung: Getränke und Zvieri
Kommunikation an die Mitarbeitenden
Nachdem die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen waren, wurden die Mitarbeitenden über den bevorstehenden Anlass informiert. Dabei wurde erklärt, dass der Austausch aufgrund der Jahresgespräche ins Leben gerufen wurde und eine Möglichkeit bietet, sich über eine gelingende Zusammenarbeit auszutauschen. Zur Vorbereitung wurden die Leitfragen in der Werkstatt ausgehängt. So wussten die Mitarbeitenden, was auf sie zukommt, und konnten sich bereits erste Gedanken zur Thematik machen.
Durchführung
- Wer: Alle Mitarbeitenden
- Wo: Interne Werkstatt
- Dauer: 2 Stunden
Am Durchführungstag wurden vier Tischinseln eingerichtet und mit grossen Papierbogen und Filzstiften ausgestattet. Auf jeder Tischinsel hatte eine bestimmte Leitfrage, die auf dem Papierbogen notiert war.
Gesprächsrunden
Während des World Cafés diskutierten die Teilnehmenden die vier Leitfragen in mehreren Gesprächsrunden. In jeder Gesprächsrunde versammelten sich 4-6 Personen um einen Tisch und diskutierten die an diesem Tisch gestellte Leitfrage. Die wichtigsten Erkenntnisse wurden schriftlich von den Lernenden auf den Papierbögen festgehalten.
Nach 15-25 Minuten wechselten die Teilnehmenden die Tische und diskutieren in einer neuen Konstellation eine andere Leitfrage. An jedem Tisch blieb jeweils eine Person zurück, um die neu eintreffenden Kollegen über den bisherigen Diskussionsverlauf zu informieren. So konnten die Ideen und Erkenntnisse rund um die Leitfrage in jeder Runde weiterentwickelt werden.
Präsentation
Nach Abschluss der Gesprächsrunden versammelten sich alle Teilnehmenden und die Lernenden präsentierten die wichtigsten Erkenntnisse zu den einzelnen Leitfragen.
Nachbereitung
Die Ergebnisse der Gesprächsrunden wurden vom Organisationsgremium im Nachgang konsolidiert. Für jede Leitfrage resultierte ein A4 Blatt mit den wichtigsten Erkenntnissen und den neuen Spielregeln für die gemeinsame Zusammenarbeit (z.B. «Ich halte Ordnung und bestelle Material nach», «Maschinen und Werkzeuge hinterlasse ich so, wie ich sie antreffen möchte», «Andere Ansichten und Meinungen respektiere ich», «wir hören einander zu und fragen nach»).
Ergebnisse im Alltag sichtbar machen
Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse nicht in Vergessenheit geraten, wurde jeden Monat ein A4-Blatt in der Werkstatt ausgehängt. In den internen Betriebssitzungen wurden diese Aushänge regelmässig diskutiert. Das war eine hilfreiche Gedankenstütze und ermöglichte den Mitarbeitenden, sich selbst und einander an das Besprochene zu erinnern.
Rückblick und Standortbestimmung
Zwei Jahre nach der ersten Durchführung fand erneut ein World Café statt, in dem unter anderem auf die erste Durchführung zurückgeblickt wurde. Im Sinne einer Standortbestimmung wurde besprochen, wie sich die Themen entwickelt haben, wo man heute steht, was gut läuft und was man allenfalls wieder vermehrt beachten möchte.

Gute Leitfragen sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. Es kann helfen, bei der Auswahl der Leitfragen mögliche Antworten durchzudenken, um die Eignung zu prüfen. Insbesondere kann so verhindert werden, dass sich die Antworten zu den verschiedenen Leitfragen zu stark überschneiden.
Die Spielregeln für die Zusammenarbeit haben wir positiv formuliert, also festgehalten, was wir neu oder anders machen wollen, und nicht, was wir vermeiden wollen.
Argumente:
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1Die Möglichkeit zur Mitgestaltung fördert die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.Bhatti, K. K., & Qureshi, T. M. (2007). Impact of employee participation on job satisfaction, employee commitment and employee productivity. International review of business research papers, 3(2), 54-68.
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2Mitgestaltung fördert die Produktivität der Mitarbeitenden.Zwick, T. (2004). Employee participation and productivity. Labour Economics, 11(6), 715-740.
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3Mitarbeitende, die mitgestalten können, sind engagierter.Husin, N. H., Mansor, N. N. A., Kelana, B. W. Y., & Sondoh, S. L. (2021). Employee participation and innovative work behaviour: The mediation effect of work engagement. International Journal of Academic Research in Business and Social Sciences, 11(7), 1043-1055.